Prozessproduzierte Daten (engl.: Process-produced Data)

P.D. können definiert werden als »all diejenigen Daten, die als Aufzeichnungen öffentlicher und privater Organisationen im Rahmen ihrer Tätigkeit und nicht nur zum Zwecke wissenschaftlicher bzw. statistischer Auswertung gesammelt werden« (Müller 1977). Beispiele für p. D. sind: Angaben zu Sozialhilfebezug von kommunalen Ämtern, Beschäftigtendaten der Sozialversicherungsträger, Personaldaten von Unternehmen, Akten von Strafverfolgungsbehörden oder Gerichten, usw. Solche Daten sind häufig auch für die Sozialwissenschaften von Interesse, weil sie Aufschluss sowohl über die Objekte des Verwaltungshandelns als auch über dieses selbst (z.B. Entscheidungen der Verwaltungsakteure) geben können.

Da im Gegensatz zu Umfragen bei p. D. keine Versuchsleiter- oder Interviewereffekte auftreten, gelten sie als nicht-reaktiv (→ Reaktivität). Trotzdem kann die Datenqualität eingeschränkt sein; nicht zuletzt kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass die Daten Wirklichkeit einfach abbilden, sondern sie erzeugen diese u.U. erst. Beispielsweise können Jugendliche, die Straftaten begangen haben, zu einer Jugendstrafe verurteilt werden, wenn bei ihnen »schädliche Neigungen« vorliegen. Man kann aber nicht unterstellen, dass Jugendliche solche Neigungen »haben«, vielmehr handelt es sich um ein im Strafverfahren zugeschriebenes Merkmal. Allgemein ist stets zu bedenken, dass die Daten primär auf die Zwecke der Organisation, die sie erhoben hat, bezogen sind und häufig dazu dienen, deren Handeln zu legitimieren.

Aus diesem Grund sollten der Entstehungsprozess der Daten, die Operationalisierung der Merkmale und deren Messung möglichst genau bekannt sein. Kann man aber davon ausgehen, dass die interessierenden Daten valide sind (und die soeben angesprochene Legitimationsfunktion muss dem keineswegs entgegenstehen,ganz im Gegenteil), so sind sie häufig auch genauer als durch Befragung erhobene Daten.

Literatur:

  • Müller, Paul J.: Die Analyse prozeß-produzierter Daten. Stuttgart: Klett-Cotta, 1977

© R.Christian, W. Ludwig-Mayerhofer | Last update: 30 Sep 2005