Idealtypus (engl.: Ideal Type)

Auf Max Weber zurückgehender Begriff, mit dem die ›reine‹, ›ideale‹ gedankliche Konstruktion eines theoretisch relevanten Zusammenhanges – meist eines komplexen kulturellen oder sozialen Gebildes – bezeichnet wird (etwa ›die mittelalterliche Stadtwirtschaft‹, ›die kapitalistische Kultur‹, ›der Imperialismus‹). Der Idealtypus »wird gewonnen durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluß einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedankenbilde. In seiner begrifflichen Reinheit ist dieses Gedankenbild nirgend in der Wirklichkeit empirisch vorfindbar, es ist eine Utopie, und für die historische Arbeit erwächst die Aufgabe, in jedem einzelnen Falle festzustellen, wie nahe oder wie fern die Wirklichkeit jenem Idealbilde steht, inwieweit also der ökonomische Charakter der Verhältnisse einer bestimmten Stadt als ›stadtwirtschaftlich‹ im begrifflichen Sinn anzusprechen ist. Für den Zweck der Erforschung und Veranschaulichung aber leistet jener Begriff, vorsichtig angewendet seine spezifischen Dienste.« (Weber 1991 [1904]: 73-74).

Der Idealtypus ist nach Weber nur ein Mittel der Erkenntnis (ebd., S. 76). Er hat »die Bedeutung eines rein idealen Grenzbegriffes .., an welchem die Wirklichkeit zur Verdeutlichung bestimmter bedeutsamer Bestandteile ihrer empirischen Gehaltes gemessen, mit dem sie verglichen wird.« (ebd.: 77).

In neuerer Zeit wurde ein idealtypisches Vorgehen im Weberschen Sinne vor allem von Uta Gerhardt (1986) gefordert (und für das eigene Vorgehen reklamiert).

Literatur:

  • Gerhardt, Uta: Patientenkarrieren. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1986
  • Weber, Max: Die "Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in ders.: Schriften zur Wissenschaftslehre. Stuttgart: Reclam 1991, S. 21-101 [zuerst in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 19, 1904, S. 22-87]

© W. Ludwig-Mayerhofer, ILMES | Last update: 30 Dec 1999