Gamma-Koeffizient (engl.: Gamma [Coefficient {of Association}])

Der G.-Koeffizient (ich spreche im folgenden nur noch von G.; den Titel G.-Koeffizient habe ich gewählt, um Verwechslungen mit der hier nicht behandelten Gamma-Verteilung vorzubeugen) ist ein Maß für die Stärke des Zusammenhangs ordinalskalierter Merkmale.

Um diesen Koeffizienten zu verstehen, müssen Sie sich anhand des Stichworts Tau-a, Tau-b, Tau-c mit dem Konzept konkordanter (Nc) und diskordanter (Nd) Paare vertraut gemacht haben. G. wird folgendermaßen berechnet:

Formel Gamma

Im Unterschied zu anderen Koeffizienten geht also die Zahl der »Ties« (und damit auch die Gesamtzahl der Paare in den Daten) in die Berechnung nicht ein. Im Vergleich zu den Tau-Koeffizienten ist mithin der Nenner von G. weitaus kleiner, was bewirkt, dass G. meist deutlich größer ist. G. wird im allgemeinen nur von Sozialwissenschaftlern angewendet, die schwache Zusammenhänge »aufblähen« wollen.

G. hat noch eine weitere Eigenheit, die ich an einem
Beispiel verdeutliche. Es ist angelehnt an einen Befund von Stefan Liebig und Jürgen Schupp (Leistungs- oder Bedarfsgerechtigkeit? Über einen normativen Zielkonflikt des Wohlfahrtsstaats und seiner Bedeutung für die Bewertung des eigenen Erwerbseinkommens, Soziale Welt, Bd. 59 (1) 2008, S. 7-30) zur wahrgenommenen (Un-)Gerechtigkeit des eigenen Erwerbseinkommens in Ost- und Westdeutschland; die hier dargestellten Zahlen sind aber zu Zwecken der Demonstration frei erfunden.

In diesem Beispiel empfindet keine einzige ostdeutsche Person ihr Einkommen als gerecht, wohl aber zahlreiche westdeutsche Personen. Dennoch würden wir nicht von einem perfekten Zusammenhang zwischen den Merkmalen Wohnort (›Landesteil‹) und empfundener Gerechtigkeit sprechen; dieser wäre gegeben, wenn alle Personen aus dem einen Landesteil ihr Einkommen als gerecht und alle Personen des anderen Landesteils das Einkommen als ungerecht wahrnähmen.

Empfindung des eigenen Einkommens als gerecht in Abhängigkeit vom Wohnort (Ost- oder Westdeutschland)
Ost               West               ALLE              
Ungerecht               100 30 130
Gerecht               0 70 70
N 100 100 200

Gamma hat aber, obwohl kein perfekter Zusammenhang vorliegt, den Maximalwert von +1! Woran liegt das? In der Tabelle gibt es nur konkordante und keine diskordanten Paare. Die »Ties« (also die 30 Westdeutschen, die ihr Einkommen als ungerecht empfinden) werden einfach ignoriert. Man kann das nun fortspinnen: Gamma hätte auch einen Betrag von +1, wenn 80 Westdeutsche das Einkommen als ungerecht und nur 20 von ihnen dieses als gerecht empfänden. Ein Koeffizient, der auf unterschiedliche Zusammenhänge überhaupt nicht reagiert, ist nach Ansicht des Autors dieser Zeilen nicht besonders tauglich.

In der Beispielstabelle beim Stichwort Kreuztabelle hat Gamma einen Wert von 0,36, ist also mehr als doppelt so groß wie Tau-B oder auch Somers' D.

Zur inferenzstatistischen Prüfung, ob der vorgefundene Zusammenhang überzufällig ist, kann G. durch seinen Standardfehler dividiert werden. Beträgt der Wert der Koeffizienten mindestens das 1,96,fache seines Standardfehlers, so kann – hinreichend große Fallzahlen vorausgesetzt – die Annahme, dass es sich um einen zufälligen Zusammenhang handelt, mit einer 5-prozentigen Irrtumswahrscheinlichkeit verworfen werden. Es sollte also zur Prüfung der Signifikanz nicht der Chi-Quadrat-Test für die Kreuztabelle herangezogen werden, da dieser der unterstellten ordinalen Natur des Zusammenhangs nicht gerecht wird.

Siehe auch: Somers' D, Spearmans Rho.

© W. Ludwig-Mayerhofer, ILMES | Last update: 1 Mar 2025