Faktorieller Survey (engl: Factorial Survey [Experiment])

Der faktorielle Survey, manchmal auch Vignettenanalyse genannt, ist eine spezielle Erhebungstechnik im Rahmen größerer standardisierter Befragungen (Surveys), mittels derer der Einfluss der Merkmale von Personen, Situationen oder anderen Objekten auf die Wahrnehmung, Beurteilung oder die Einstellung von Menschen erhoben werden kann.

In einem typischen faktoriellen Survey werden den Befragten Stimuli vorgegeben, die Eigenschaften auf mehreren Dimensionen ausweisen. In einem Projekt zur wahrgenommenen Gerechtigkeit von Einkommen wurden den Befragten beispielsweise Schilderungen von Personen vorgelegt, die durch Alter, Geschlecht, eine bestimmte Zahl von Kindern, Bildung, ausgeübten Beruf und ihre Berufserfahrung gekennzeichnet waren (Auspurg/Hinz 2015, S. 5). Die Befragten sollten dann beurteilen, ob sie ein bestimmtes angegebenes Einkommen für diese Person als angemessen, zu niedrig ("ungerecht") oder zu hoch empfinden. Eine solche Schilderung nennt man auch Vignette. Den Befragten werden nun verschiedene Vignetten vorgelegt, die sich systematisch in den genannten Merkmalen unterscheiden; in der Regel werden jeder Befragungsperson mehrere Vignetten vorgelegt, es ist aber auch denkbar, dass jede Person nur eine Vignette zu beurteilen hat. Handelt es sich um Vignetten mit wenigen Eigenschaften, die ihrerseits jeweils wenige Ausprägungen aufweisen, so können möglicherweise jedem/r Befragten alle denkbaren Vignetten vorgelegt werden (sog. full factorial survey). Es ist aber auch möglich und in der Praxis gängiger, dass von jedem Befragten nur eine Auswahl der möglichen Vignetten zu beurteilen ist.

Achtet man nun darauf, dass die unterschiedlichen Vignetten den Grundeigenschaften experimenteller Variation entsprechen (vereinfachend gesprochen: die verschiedenen Kombinationen von Ausprägungen sollten zufällig auf die Befragten verteilt werden und in der Gesamtheit der Befragung gleich häufig vertreten sein), so lassen sich aus den Angaben der Befragten Schlüsse darauf ziehen, welche der in den Vignetten variierten Eigenschaften das Urteil der Befragten wie stark beeinflussen. Zusätzlich kann auch untersucht werden, ob Eigenschaften der Befragten selbst die Urteile beeinflussen, sei es für sich genommen oder in Interaktion mit ausgewählten Eigenschaften der Vignetten.

Bei der statistischen Analyse der Daten können bei einem korrekt implementierten experimentellen Design auch sehr einfache Verfahren, etwa Mittelwertvergleiche, sinnvolle und korrekte Schlussfolgerungen ermöglichen. Bei komplexeren Analysen mittels Regressionsmodellen ist gegebenenfalls die hierarchische Natur der Daten zu beachten: Wenn jede/r Befragte mehrere Vignetten beurteilt hat, so sind die einzelnen Urteile nicht stochastisch unabhängig voneinander. Daher müssen in solchen Fällen in der Regel hierarchische Regressionsmodelle (Mehrebenenmodelle) eingesetzt werden.

Bei korrekter Durchführung kann dem faktoriellen Survey hohe interne Validität zugesprochen werden. Mehr Forschung ist allerdings noch erforderlich zur externen Validität, also zu der Frage, ob bzw. in welchem Ausmaß oder unter welchen Bedingungen die im Rahmen des faktoriellen Surveys ermittelten Ergebnisse auch für andere (nicht-experimentelle) Situationen relevant sind.

Literatur:

  • Auspurg, Katrin/Hinz, Thomas: Factorial Survey Experiments. Los Angeles u.a.: Sage, 2015 (Sage Series: Quantitative Applications in the Social Sciences, Band 175)

© W. Ludwig-Mayerhofer, ILMES | Last update: 27 May 2016