Sequenzanalyse (engl.:Sequential Analysis/Sequence Analysis)

1. Verfahren der Interpretation (meist von Texten), das vor allem im Rahmen der Objektiven Hermeneutik, aber auch anderen Verfahren der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik (siehe Soeffner 2004) sowie der Konversationsanalyse zum Einsatz kommt. Ziel ist es vor allem die Abfolge der Äußerungen von (meist mehreren) Sprechern und deren Verkoppelung und damit die im analysierten Text zum Vorschein kommende Interaktionsstruktur zu untersuchten. (Die angemessene englische Übersetzung dürfte hier »sequential analysis« sein.)

Die S. ist auch verbinden mit einer sequenziellen Vorgehensweise bei der Auswertung, die hier exemplarisch anhand der Vorgehensweise im Rahmen der Objektiven Hermeneutik dargestellt werden soll: Begonnen wird mit der ersten Äußerung der Kommunikationssequenz, und es wird gefragt, in welchen Kommunikationskontexten diese Äußerung stehen könnte. In diesem Schritt soll von jeglichem Vor- und Kontextwissen über den Text bzw. den Fall abgesehen werden, insbesondere von allen späteren Äußerungen oder Interaktionssequenzen. Noch bevor die nächste Äußerung (oder der nächste Zug im Interaktionsgeschehen – es kann sich ja auch um eine Nicht-Äußerung, z. B. um Schweigen oder Verlassen des Raums handeln) betrachtet wird, werden mögliche Anschlüsse an die erste Äußerung gedankenexperimentell entworfen. Die darauf folgende Analyse des tatsächlich realisierten Anschlusses gibt dann Hinweise darauf, welche der entworfenen (Be-)Deutungen am meisten Plausibilität für sich beanspruchen kann. Dieses Vorgehen wird am weiteren Text so lange wiederholt, bis sich eine Fallstruktur herauskristallisiert, die dann möglichst an weiteren Textsequenzen überprüft werden sollte.

Literatur:

  • Soeffner, Hans-Georg: Prämissen einer sozialwissenschaftlichen Hermeneutik. In: Soeffner, H.-G., Auslegung des Alltags – Der Alltag der Auslegung. Konstanz: UVK (UTB 2519), 2004, S. S. 78-113 (Erstveröffentlichung 1982)

2. Als Sequenzanalyse (engl: sequence analysis), im Deutschen häufiger Sequenzdatenanalyse genannt, bezeichnet man auch ein Verfahren zur Ermittlung von Verlaufsmustern standardisierter Daten. Grundlage der Datenauswertung sind hier Abfolgen verschiedener Zustände, die Individuen in Lebensverläufen einnehmen können, (z.B. verschiedene Arten von Beschäftigung oder unterschiedliche Positionen im Klassensystem); der Kern des Verfahrens besteht daran, die Ähnlichkeit verschiedener Sequenzen zu bestimmen (i.d.R. mittels des sog. Optimal Matching) und ähnliche Sequenzen zu Gruppen zusammenzufassen. Im letztgenannten Schritt werden häufig Verfahren der Clusteranalyse eingesetzt.

Literatur:

  • Abbott, Andrew: Sequence Analysis: New Methods for Old Ideas, in: Annual Review of Sociology 21, 1995, S. 93-113.
  • Scherer, Stefani/Brüderl, Josef: Sequenzdatenanalyse, in: Wolf, Christof/Best, Henning (Hrsg.): Handbuch der sozialwissenschaftlichen Datenanalyse. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010, S. 1031-1052.

© W. Ludwig-Mayerhofer, ILMES | Last update: 20 Jun 2016