Grounded Theory

Die Grounded Theory wurde ursprünglich, wie der Name sagt, vor allem aus dem Impuls formuliert, eine Annäherung von theoretischer und empirischer Forschung einzuleiten, nach dem – wissenschaftstheoretisch gewiss naiven, forschungspragmatisch aber durchaus fruchtbaren – Grundsatz, Theorien in enger Tuchfühlung mit »sozialer Realität« zu erarbeiten. Sie wird heute vor allem mit dem Paradigma der qualitativen Sozialforschung verbunden; Glaser & Strauss (1967) gingen in ihrem grundlegenden Werk – m. E. zu Recht – davon aus, dass sich »quantitative« Daten ebenso gut für die Erarbeitung einer G. T. eignen können wie »qualitative«. Grundanliegen der G. T. ist, Theorien nicht abstrakt, sondern in möglichst intensiver Auseinandersetzung mit einem konkreten Gegenstand zu entwickeln. Daher finden sich in Deutschland auch manchmal die Bezeichnung »gegenstandsbezogene Theorie« oder (besser) »empirisch begründete Theoriebildung«. Allerdings ist keine dieser Übersetzungen wirklich zufriedenstellend, so dass (auch aus diesem Grund) in Deutschland vielfach die englische Bezeichnung verwendet wird.

Der Ansatz der G.T. enthält keine Anweisungen zur Datenerhebung und in der ersten Fassung nur sehr wenige zur Auswertung der Daten. Die wesentlichen Arbeitsschritte sind:

  • Die Datenerhebung;
  • das Codieren, d. h. die Bildung von Kategorien und die Zuordnung von Daten (Indikatoren) zu diesen;
  • das Kontrastieren (constant comparison, »permanenter Vergleich«) von Fällen zum Zweck der Überprüfung der Reichweite der bislang entwickelten Kategorien;
  • das Theoretical Sampling, d. h. die Fallauswahl gemäß dem jeweiligen Stand der Datenauswertung und der daraus entstandenen Ideen, Konzepte und Fragen, auch mit dem Ziel, neue Vergleichsfälle zu generieren;
  • das Schreiben von Memos, das Festhalten von Ideen, Notizen, Kommentaren, insbesondere zum jeweiligen Stand der Codierung; anhand der Memos soll im Verlauf des Forschungsprozesses letzten Endes die Theorie entwickelt werden.

Anselm Strauss hat inzwischen die Anweisungen zur Datenauswertung in Form eines (gewiss manchmal einengenden) »Codier-Paradigmas« etwas elaboriert (vgl. Strauss 1994 Strauss & Corbin 1996), während sich Barney Glaser von diesem Versuch der »Kodifizierung der Kodierung« stark distanziert hat (Glaser 1992).

Literatur

  • Glaser, Barney G.: Basics of Grounded Theory Analysis. Mill Valley, CA: Sociology Press, 1992
  • Glaser, Barney/Strauss, Anselm L.: The discovery of grounded theory. Chicago: Aldine, 1967
  • Strauss, Anselm L.: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. München: Fink (UTB 1776), 1994
  • Strauss, Anselm L./Corbin, J.: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union, 1996
  • Strübing, Jörg: Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung des Verfahrens der empirisch begründeten Theoriebildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2004

© W. Ludwig-Mayerhofer, ILMES | Last update: 18 Jun 2016