Kontextanalyse (engl.: Contextual Analysis)

Der Begriff K. ist in der Sozialforschung, soweit ich sehe, noch nicht kanonisiert; er steht allgemein für Analyseverfahren, in denen Merkmale von Untersuchungseinheiten gemeinsam mit solchen ihrer Umgebung, eben ihrer Kontexte, analysiert werden. Dabei sollen i. a. die individuellen Merkmale durch diejenigen ihrer Umgebung erklärt werden, prinzipiell ist jedoch auch die umgekehrte Analyserichtung denkbar.

In einem etwas spezielleren Sinn steht K. entweder allgemein für Mehrebenenanalyse oder für eine spezielle Form derselben, nämlich jene, die (noch) nicht mit Zufallskoeffizienten operiert (dies ist etwa der Sprachgebrauch bei Kreft/de Leeuw 1998). Diese spezielle Form der K., im folgenden als traditionelle K. bezeichnet, wird ausführlich bei Iversen (1991) behandelt.

Der wesentliche Unterschied zwischen der traditionellen K. und den neueren Verfahren mit Zufallskoeffizienten sei kurz dargestellt. Angenommen, wir haben eine Regressionsgleichung

Y = b0 + b1X1 + b2X2 + e

mit Y und X1 als Individualmerkmalen und X2 als einem Kontextmerkmal sowie e als dem Residuum auf der Individualebene. Dies ist die einfache Form der traditionellen K. Sie ignoriert (a) den Sachverhalt, dass die individuellen Einheiten, qua Kontext, untereinander zusammenhängen können (mit der Folge, dass die Annahme wechselseitiger Unabhängigkeit der Residuen e verletzt ist und damit auch die Standardfehler der Regressionskoeffizienten unterschätzt werden), und (b) dass die Einflüsse der Individualvariablen X1 auf Y, wie sie im Regressionskoeffizienten b1 ausgedrückt werden, u. U. nicht in allen Kontexten identisch sind.

Auf letzteres Problem reagiert die traditionelle Kontextanalyse, indem sie den Individualeffekt b1 selbst als Ergebnis der Kontextvariablen X2 modelliert (›Slopes-as-Outcomes‹). Dies kann entweder in einem zweistufigen Schätzverfahren geschehen, in welchem für jeden Kontext eine separate Analyse auf der Individualebene durchgeführt wird und anschließend der Vektor der so geschätzten b1-Koeffizienten als abhängige Variable durch die X2-Variable »erklärt« wird, oder in einem einstufigen Verfahren, in welchem in die o.a. Regressionsgleichung ein Interaktionseffekt aus dem individuellem Merkmal X1 und dem Kontextmerkmal X2 eingefügt wird (mit dem Regressionsgewicht b3). Beide Schätzverfahren führen aber i. a. nicht zu korrekten Standardfehlern für b3 und lösen nicht das Problem der Varianzzerlegung in individuelle und Kontextvarianz.

Literatur:

  • Iversen, G.: Contextual Analysis. Newbury Park, CA: Sage, 1991
  • Kreft, Ita/de Leeuw, Jan: Introducing Multilevel Modeling. London: Sage 1998

© W. Ludwig-Mayerhofer, ILMES | Last update: 30 Dec 1999